Sibylle Dotzauer

Lesung: Freiheit als Skandal

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Inhalt

Zwei Frauen des 19. Jahrhunderts, die mit ihrem selbstbewussten Lebensstil, ihren sozialkritischen und politischen Schriften die Öffentlichkeit schockierten, gesellschaftliche Veränderungen forderten, Tabus aufbrachen, bewundert und verachtet wurden, stellen Rita Fromm und Francoise Hammer in einer Collage vor, die von der Pianistin Sibylle Dotzauer mit zeitgenössischen Kompositionen und Liedern u.a. von Louise Farrenc, Fanny Hensel, Adolphe Adam, Fréderic Chopin sowie Pierre Dupont begleitet wird.

Louise Aston, 1814-1871, die deutsche „George Sand“, Schriftstellerin, Frauenrechtlerin, den Frühsozialisten und der Freiheitsbewegungen im ‚Deutschen Vormärz’ verbunden, erregte mit ihrer politischen Lyrik, den Gedichten, Emanzipationsschriften und autobiographischen Romanen Aufsehen. Ihr eigenwilliger Lebensstil, ihre freimütigen Äußerungen über Ehe, Religion und Politik machten sie zur ‚unerwünschte Person’. Aus mehreren Städten wurde sie deshalb ausgewiesen. In „Meine Emanzipation, Verweisung und Rechtfertigung“ veröffentlichte sie 1846 ihre Gründe. Sie erlebte die Märzrevolution 1848 in Berlin und zog als Krankenschwester eines Freicorps mit in den Schleswig-Holsteinischen Krieg.

Die von ihr herausgegebene Wochenzeitschrift „Der Freischärler“ wurde nach sieben Ausgaben verboten. Ihre Romane ‚Lydia’, ‚Revolution und Conterrevolution’, der Gedichtband ‚Freischärler-Reminiscencen’ gehören zur Gattung der Revolutionsliteratur. Nach Niederschlagung der Revolution 1848/49, den politischen Verfolgungen und von Repressalien zermürbt, flüchtete sie mit ihrem zweiten Ehemann Daniel Eduard Meier nach Ostund Südeuropa. Aufgrund einer Amnestie von 1871 kehrten beide nach Deutschland zurück, kurze Zeit später starb sie unerkannt in Wangen im Allgäu.

George Sand, 1804-1876, „die Muse der Republik“, anders als Louise Aston, eine hoch geachtete Frauenrechtlerin und Schriftstellerin, die mit den Großen ihrer Zeit verkehrte: Liszt, Chopin, Musset, Turgenjew, Flaubert, um einige zu nennen. Nach einem gemeinsam mit Jules Sandeau geschriebenen Roman wird auf Verlangen ihres Verlegers aus Aurore Dupin George Sand. Es folgten die sozialkritischen Romane wie ‚Indiana’, ‚ Lelia’ , ‚Ein Winter auf Mallorca’ und auch Beschreibungen aus dem bäuerlichen Milieu. Doch ihre Skandale und Liebesaffären mit Chopin, Musset und der Schauspielerin Marie Dorval haben lange mehr zu ihrer Bekanntheit beigetragen als ihr soziales und politisches Engagement. Kompromisslos führte sie ein selbstbewusstes Leben, forderte gesellschaftliche Verbesserungen für die Frau und politische Reformen für das Volk im Sinne der Frühsozialisten.

Sie führte den Begriff Kommunismus in Frankreich ein. Im Gegensatz zu Louise Aston, die auf der Flucht hin- und her geschoben wurde, schützte sie ihr literarischer Ruhm vor Verfolgungen. Als im Juni 1848 mit brutaler Gewalt ein Arbeiteraufstand niedergeschlagen, Louis-Napoleon durch einen Staatsstreich 1851 Kaiser wurde, zog sie sich schmerzlich betroffen auf ihren Landsitz zurück. „Die gute Dame von Nohant“ - so wurde sie von nun an genannt - schrieb ihre Biographie ‚Geschichte meines Lebens’, unterstützte ihre in die Verbannung geschickten Freunde oder Freundesfreunde, intervenierte sogar für sie beim Kaiser. „ Die Muse der Republik“, wie sie von André Maurois genannt wurde, starb hoch geehrt in Nohant / Indre. Der Einsatz beider Frauen und ihr Kampf für Freiheit und Menschenrechte, das Recht der Frauen auf eigenständiges Leben und gegen jede Form von Versklavung und Erniedrigung sind heute so aktuell wie damals.